Werte, Normen, Handlungen, Erlebnisse und (Miss-)Erfolg

am 13. Mai 2019. Veröffentlicht in News

Als wäre die Sache nicht ohnedies schon komplex genug. Wer darüber nachdenkt wie das Unternehmen die Digitalisierung meistert, gelangt unweigerlich zur Erkenntnis, dass es mit technischen Applikationen alleine, mit Top Down und Hierarchie, mit ge- und verordnetem Change Management nicht klappen wird. Nein, eine VUCA Welt, die täglich mit Überraschungen glänzt, ist nicht mit Plänen zu meistern.
Wer Komplexität mit starren Regeln und Prozessen zu Leibe rückt ist ein Narr. Wir müssen organisatorische Beweglichkeit fördern und da rückt die Unternehmenskultur rasch in den Fokus. Kultur frisst Strategie zum Frühstück. Mitarbeiter kommen wegen der Marke und gehen wegen der Kultur. Und mittendrin? Da sind die Werte. Werte sind das Fundament der Kultur. Sie bestimmen, was richtig und falsch ist. Sie schaffen Orientierung. Sie formen Gemeinschaft. Ohne Wertebewusstsein, kein Team. Ohne Team, kein Wandel. Das Thema ist so relevant, dass wir ein paar Gedanken zu dem Thema in den kommenden Blogbeiträgen teilen möchten.
WIESO WIR UNS MIT WERTEN BESCHÄFTIGEN SOLLTEN
Schon seit Jahrzehnten wird in der einschlägigen Fachliteratur noch über dem „strategischen Management“ das „normative Management“ gepriesen. Die Idee dahinter: Mitgliedern einer Organisation „Normen“ mit auf den Weg zu geben, die als Kitt den Zusammenhalt stärken und gleichzeitig eine Richtung für gewünschtes Verhalten und Streben vorgeben. Im Idealfall gelingt es, das Unternehmen über diese „Normen“ so stark zu fokussieren, dass jedes Mitglied der Organisation eigenständig Entscheidungen und Handlungen im Interesse der gemeinsamen Zielsetzung und Wertvorstellung treffen kann. Herb Kelleher, der Gründer der Southwest Airlines (zugleich einer der reichsten Amerikaner laut Forbes Liste und Erfinder des „no frills, low cost“ Airline Geschäftsmodells) meinte einmal: „Wir haben eine Strategie, sie lautet <einfach tun>“. Und dieses Zielbild hat schon was, vor allem in einer Welt, die uns täglich überrascht und vor neue Herausforderungen stellt. Wäre es nicht schön, wenn Mitarbeiter <einfach tun> und dabei einen Beitrag zum unternehmerischen Erfolg leisten würden? Doch um diesen Freiraum geben zu können, müssen zuerst die Hausaufgaben gemacht werden.
DAS VERBINDENDE ELEMENT: Vision, Mission und WERTE
Wie also schafft man eine gemeinsame Ausrichtung? Als Grundlage allen unternehmerischen Handelns haben Collins und Porras eine Triangel entwickelt, die Überblick und Orientierung geben soll und somit die Grundlage für das „Normative“ darstellt. Sie empfehlen neben der Festlegung einer Mission (= Auftrag, den das Unternehmen erfüllt) und der Vision (= nach innen gerichtetes, erstrebenswertes und ambitioniertes Zielbild) auch die Definition der unternehmerischen Kernwerte (= welche Werte sind unantastbar und unverrückbar?).
Die Praxis zeigt, dass die Erarbeitung dieser Fragestellungen tatsächlich hilfreich ist und das gemeinsame Verständnis stärkt, dass die 3 Elemente sauber voneinander abgrenzbar sind und eine ausgewogene Balance zwischen Innen- und Außensicht bieten, dass jedoch leider damit die Arbeit bei weitem nicht getan ist. Im Gegenteil, der harte Teil der Arbeit folgt nun, denn die Tücken liegen in der Umsetzung und dem täglichen Leben.
Viele Unternehmen betreiben Voodoo Management. Kurz einmal ein Leitbild entwickeln, ein paar salbungsvolle Opfergaben (Druck von Broschüren, einmalige Infoveranstaltung) bringen und fortan ist die Welt wieder in Ordnung…
LEADERSHIP UND KULTURARBEIT ANSTELLE VON VOODOO MANAGEMENT UND FRUSTRATION
Gesagt ist nicht gehört. Gehört ist nicht verstanden. Verstanden ist nicht einverstanden. Einverstanden ist nicht getan. Getan ist nicht beibehalten. Beibehalten ist nicht verbessert… Es sind unfassbar viele Hürden auf dem Weg zur agilen Organisation zu meistern. Eine einmalige Information aller Mitarbeiter ist bei weitem nicht ausreichend, ich neige sogar dazu zu behaupten, dass es kontraproduktiv ist, denn es schürt Erwartungen, die nicht erfüllt werden und es zerstört somit Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Einmalige Hau-Ruck Veranstaltungen und Werteverordnungen via Dienstanweisung frustrieren verärgern und zerstören. Dann besser gar nichts tun!
Wenn man die Herausforderung jedoch ehrlich anpackt und unternehmerische Werte sowie das Streben nach einer gemeinsamen Vision als Auftrag verinnerlicht, dann entfaltet dieser Zugang eine enorme Kraft. Eine Kraft, die zu eigenständigen Leistungen führt, den Teamgeist beflügelt und die nach außen positiv abstrahlt. Bruno Baumann beschreibt so einen Zustand sinngemäß „Für mich wird die Vision, die Idee eine Grenzüberschreitung zu realisieren, so stark, dass sie mein ganzes Denken einnimmt und es für mich keine Alternative gibt, als aufzubrechen und sie in die Tat umzusetzen.“ Damit wir im gesamten Unternehmen zu diesem Punkt gelangen, benötigt es eine starke und langatmige Leadershipleistung, denn Kulturarbeit ist Marathon nicht Sprint!
WERTE BEACHTEN
Wo anpacken? Seit über 15 Jahren liefert emotion banking mit seinem Managementtool „victor“ Ansatzpunkte zur Gestaltung einer vitalen Unternehmenskultur. Dabei werden aus verschiedenen Sichtweisen (Mitarbeiter- und Führungskräfte, Betrieb und Vertrieb) wichtige Dimensionen der Kultur bewertet und unterschiedliche Sichtweisen und Auffassungen thematisiert. Seit einigen Jahren bieten wir auch eine vertiefende Analyse der Werte.
Wer eine starke Unternehmenskultur gestalten möchte, wird zwangsweise auf das Thema „Werte“ stoßen. Werte sind die tiefverwurzelten Überzeugungen einer Organisation oder auch eines einzelnen Menschen, die in seinen Handlungen und Unterlassungen zum Ausdruck kommen. Sie sind damit verantwortlich, für die Erlebnisse und Ergebnisse, die ein Unternehmen erzielt. Werte definieren, was „richtig und falsch“ ist.
DAS WERTEMODELL NACH GRAVES
Während Unternehmen viel Kraft darauf verwenden, dass Mission sowie Vision und weiters auch Strategische Ziele und Prioritäten verstanden werden, bleibt die zentrale Frage offen: Passen die Werteinstellungen der Organisation und die Überzeugungen des Personals überhaupt zusammen? Stimmt die gemeinsame Chemie oder gibt es interne Blockaden? Strebt die Organisation nach Harmonie oder nach kritischer Reibungsenergie?
Wenn man über Werte und Motivation spricht, wird häufig die Bedürfnispyramide nach Maslow ins Treffen geführt. In dem Modell werden in 5 Ebenen die Antriebsenergien der Menschen kategorisiert, wobei die unteren 4 Ebenen als „Defizitmotive“ gelten, was bedeutet, dass ein Mensch aus seinem Streben und Weg nach höheren Entwicklungsebenen, immer wieder tiefer fallen kann. Im praktischen Beispiel: Wenn wir Hunger haben, macht uns ein angeregtes Gespräch mit einem Arbeitskollegen wenig Freude, das Hungerbedürfnis schlägt das Bedürfnis nach sozialem Austausch.
Ein Mitforscher von Maslow, Dr. Clare Graves, wurde von der Idee der Bedürfnishierarchie inspiriert, hat sich jedoch stärker auf den Bereich der „Werte“ als Antriebskraft konzentriert und eine nach oben offene Entwicklungsspirale entworfen. Grob gesprochen beschreibt er die gesellschaftliche Entwicklung als eine Abfolge unterschiedlicher Grundwerte, die entweder das Individuum oder die Gesellschaft prägten. Und das immer in der Abfolge Individuum und Gesellschaft; während der primitive Mensch zunächst als Individuum um das Überleben kämpfte, erkannte er, dass es in einem Stamm besser klappen würde. Somit bildet „Überlebenswille“ die unterste Ebene (= geprägt sein vom individuellen Willen, zu überleben) gefolgt von „Bindung“ (= Zugehörigkeit zu einem Stamm, einer Familie, einem Freundeskreis, etc.). Es folgt in der nächsten Entwicklungsphase der Drang sich aus der Masse abzuheben – der „Einzelkämpfer“ usw. (siehe Factbox).
Graves postuliert, dass die Werteinstellungen jedes Einzelnen auch als Stufen der persönlichen Entwicklung dienen. Unsere Überzeugungen und Lebensziele reflektieren demnach, auf welcher Ebene der Entwicklungsspirale wir uns befinden. Um die oberste Stufe zu erreichen, die „globale Perspektive“, muss man zuerst den ganzen Weg nach oben meistern – und darf dabei keine Ebene überspringen. Menschen können natürlich auf gewissen Stufen das ganze Leben verharren – ohne Weiterentwicklung – oder sogar Stufen nach unten gehen. (Das scheint die aktuelle Politik im Fokus zu haben 😉).

Das Modell von Graves gilt als äußerst umfassend. Es behandelt nicht nur die persönliche Entwicklung des Einzelnen, sondern auch die Archetypen, Änderungen in sozialen Strukturen und sogar die Geschichte der Menschheit. Unternehmen als soziale Strukturen können sich deswegen genauso entwickeln, wie einzelne Personen. Diese Besonderheit macht das Modell von Graves unersetzlich für jeden, der sich mit Wertevorstellungen in seiner Organisation beschäftigt.
Die niedrigste Stufe der Spirale ist der „Überlebenswille“. Sie entspricht dem Kampf um das Leben. Personen werden in Extremsituationen von diesem Wert getrieben; gut erkennbar auch bei Babys oder schwer verletzten Menschen.
Die zweite Stufe steht für „Bindung“. Sie schließt Solidarität, Familie und Zusammengehörigkeit und Glaube an das Miteinander ein. Dieser Wert unterstützt die Tradition und Kreativität, kann aber zu Aberglauben führen. Die patriar-chisch geführten Kleinunternehmen, wo die Führung durch Älteste im Clan wahrgenommen wird, sind ein gutes Beispiel dafür.
Die Ebene „Einzelkämpfer“ betrifft impulsives Verhalten, Kraft und Charisma. Die negativen Seiten dieses Arche-typs sind Egoismus und Machismo. Wer auf dieser Stufe steht, beschäftigt sich selten mit den Konsequenzen seiner Handlungen für andere. Die Unternehmen, die schwere Umbruchszeiten, wie Umstrukturierungen, überstehen müssen, befinden sich oft auf dieser Stufe. Es gibt jedoch auch Organisationen, die sich ständig so verhalten und generell eine aggressive Strategie realisieren.
Bis jetzt haben die ersten 3 Ebenen die uralten Memes der menschlichen Psyche betroffen. Die vierte Ebene, die „Recht und Ordnung“ heißt, entstand hingegen (erst) vor 5000 Jahren; von Werten wie Ordnung, Treue und Geduld. Viele Unternehmen profitieren von positiven Ausprägungen dieser Stufe, wie z.B. klare Hierarche, Gerechtigkeit und Stabilität. Die negativen Aspekte der blauen Ebene sind Starrheit und Bürokratie.
Vor 300 Jahren wurde die Welt von Lust auf Entdeckung und Reichtum dominiert. Die Ebene namens „Erfolgsstreben“ wird heutzutage oft kritisiert, weil sie materialistisches und zynisches Verhalten verursacht. Jedoch bedeutet die orange Stufe für ein Unternehmen auch Effizienz, Zielstrebigkeit und erfolgreiche Entwicklungsprozesse.
Die Ebene „Beziehungen“ treibt die humanitären und demokratischen Werte. Die Firmen, die sich bis zu dieser Stufe entwickelt haben, bieten Mitarbeitern Wertschätzung, gerechten Lohnausgleich und flache Hierarchien. Vorsicht ist hier beim Thema Groupthink geboten, auch Gruppendenken genannt. Müssen sich die Mitarbeiter ständig an die Gruppe anpassen und ihre Kritik zurückhalten, kann sich dies suboptimal auswirken. Solches Verhalten ist vor allem in den Unternehmen verbreitet, die den Zusammenhalt in der Organisation am meisten schätzen.
Die Ebene „Integral“ betrifft lösungsorientiertes Denken, Flexibilität und die Fähigkeit, das Gesamtbild zu erfassen. Dieser Archetyp ist lediglich 50 Jahre alt und ist in Unternehmen noch nicht weit verbreitet. Normalerweise werden auf dieser Stufe virtuelle oder sogar selbstorganisierte Teams geformt. In Zeiten des Wandels ist das integrale Verhalten unverzichtbar. Zu negativen Aspekten solchen Denkens zählen Abspaltung und Arroganz.
Seit etwa 30 Jahren hat die Menschheit das Potential erreicht, auf die höchste Entwicklungsebene zu kommen. Die globale Perspektive ist die letzte Stufe, die ganzheitliches Denken nutzt, um die Probleme der ganzen Welt zu lö-sen bzw. es zu versuchen. Die entsprechenden Werte (intuitive Lösungen, Gleichwertigkeit der Menschen, ökologische Denkweise) sind noch sehr selten in den Organisationen zu finden. Wie die globalen Werte in Unternehmen ausgeformt und gelebt werden, wird von künftigen Entwicklungstrends abhängen.
Normalerweise befinden sich Menschen dominant auf einer der 8 Stufen. Dabei werden wir aber von zumindest einer weiteren Entwicklungsstufe beeinflusst; ggf. verlangen es gewisse Situationen geradezu, sich temporär in niedrigeren, „tieferen“ Stufen einzureihen. Gerade in Extremsituationen ist gut zu beobachten, wie das menschliche Handeln und Verhalten auf die Ebenen von „Überlebenswille“ oder „Einzelkämpfer“ zurückfallen. Ähnliches gilt für Organisationen. Umbruchzeiten verlangen bewusst gestalteten Wandel. Und dieser fängt bei den Grundwerten an. Wonach richtet sich unsere Organisation aus? Wie können wir diese Werte praktisch erlebbar machen? Welche Änderungen sind erforderlich? Das sind relevante Fragen für jene Unternehmen, die erfolgreichen Wandel realisieren möchten.
Es ist einleuchtend, dass jene Organisationen, die eine Balance zwischen eigenen Werten und Wertevorstellungen der Mitarbeiter sowie Erfordernissen der Umwelt erzielen, nachhaltig erfolgreicher sind.
Das Modul „Werte“ liefert wertvolle Ansatzpunkte aus Sicht der Mitarbeiter und Führungskräfte zum IST Zustand und zum intendierten SOLL Zustand der Organisation und es macht transparent, welche persönlichen Lebensziele in den Teams ausgeprägt sind.

Kennen Sie schon unsere Initiative Wertvolle Unternehmenskultur? Nein? Dann wird es höchste Zeit: www.wertvolle-unternehmenskultur.de
Wir freuen uns auf ein Gespräch mit Ihnen: Vereinbaren Sie gleich heute einen Telefontermin bei Mag. (FH) Barbara Bauer: +43 2252 25 48 45

Dr. Christian Rauscher
Geschäftsführer
christian.rauscher@emotion-banking.at