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Zahlungsverkehr im SEPA-Raum verursacht Milliardenkosten

Veröffentlicht am 22. September, 2017
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Gastbeitrag von Dr. Hubertus von Poser, Mitglied der Geschäftsführung der PPI AG

Bearbeitungskosten kommen Banken im Zahlungsverkehr teuer zu stehen. Die Kreditinstitute im SEPA-Raum erwarten Gesamtkosten von fast 7,5 Milliarden Euro pro Jahr. Sie setzen sich zusammen aus Kosten für Transaktionen, Reklamationen und Vertriebskosten wie Mitarbeitergehälter. Diese Aufwände lassen sich massiv senken, wenn physische Belege reduziert werden und die Effizienz bei den teuren SWIFT-Zahlungen erhöht wird. Denn während elektronisch eingereichte Überweisungen und Lastschriften nur Kosten von zirka zwei Cent pro Transaktion verursachen, kosten Scheckeinreichungen und beleggebundene Überweisungen zwischen 0,28 und 0,92 Euro pro Vorgang. Swift-Überweisungen kosten zirka 4,50 Euro pro Stück. Österreich hat im europäischen Vergleich eher niedrige Kosten und ist im Outsourcing gut aufgestellt, allerdings besteht hier noch Optimierungspotenzial bei Zugangskanälen wie EBICS.

Die Schätzungen basieren auf PPIs Marktexpertise sowie auf einer Benchmark-Studie zum SEPA-basierten Zahlungsverkehr in Deutschland. Diese führten PPI und ibi research für das Jahr der SEPA-Einführung durch. An der Studie haben acht Banken teilgenommen, die für zirka 45 Prozent aller Zahlungsverkehrstransaktionen in Deutschland verantwortlich sind.

Auf dieser Basis haben wir eine Abschätzung der Gesamtkosten des Zahlungsverkehrs aller Banken im SEPA-Raum vorgenommen. Dies beinhaltet sämtliche SEPA-Transaktionen, alle Transaktionen im SWIFT-Format im SEPA-Raum sowie die den SEPA-Raum überschreitenden SWIFT-Zahlungen, sogenannte Auslandstransaktionen. Die Kosten der SEPA-Transaktionen der nicht-deutschen Banken wurden auf Basis der Werte in Deutschland geschätzt. Dabei wurden nationale Unterschiede und Gegebenheiten miteinbezogen. Die Kosten der SWIFT-Transaktionen wurden auf Basis der Transaktionskosten einer mittelgroßen sowie einer Großbank geschätzt und anschließend auf Europa hochgerechnet. Hinzu kommen die Kosten für den Zahlungsverkehrsvertrieb, für den – mangels fehlender statistischer Informationen – vorsichtige Schätzungen zu Grunde gelegt wurden.

EBICS bietet größtes Potential in Österreich

Banken in Österreich sind im europäischen Vergleich relativ effizient aufgestellt und Scheckeinreichungen selten geworden. Durch Outsourcing wurden die Strukturen zudem optimiert. Das größte Handlungsfeld besteht bei den Zugangskanälen. Beispielsweise lassen sich durch eine noch stärkere Nutzung des EBICS-Standards einige Kostenoptimierungspotentiale ausheben. Denn EBICS als einheitlicher multibankfähiger Kommunikations- und Sicherheitsstandard ist besonders effizient im Electronic Banking zwischen Firmenkunden und Kreditinstituten. Weil es anwendungs- und formatneutral ist, dient es als Transportkanal für viele Geschäftsprozesse – nicht nur für Überweisungen. Bisher sind neben Deutschland vor allem Frankreich und die Schweiz relativ stark in der Anbindung des Protokolls. Österreichs Banken können hier in der Verbreitung von EBICS noch aufholen. Denn die schiere Anzahl der Transaktionen macht Optimierungen besonders attraktiv.

EURO-basierte Transaktionen im SEPA-Raum

Im SEPA-Raum wurden 2015 insgesamt 72,9 Milliarden Transaktionen ausgeführt. Davon entfiel der Großteil von 40,5 Prozent auf Kartenzahlungen, 20,8 Prozent auf Überweisungen und 26,1 Prozent auf Lastschriften. Der Anteil der sonstigen und internetbasierten Transaktionen verzeichnete zwar deutlichen Zuwachs, belief sich aber auf 4,6 Prozent. Nach wie vor werden allerdings immer noch 5,6 Prozent aller Transaktionen beleghaft eingereicht oder als Scheck verarbeitet, was unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht. Insgesamt beliefen sich die Aufwendungen für das Processing der SEPA-Überweisungen auf 4,99 Milliarden Euro. Darin sind alle Personal-, Sach- und IT-Kosten für das Processing, die IT-Infrastruktur sowie deren Weiterentwicklung enthalten. In Österreich haben Banken einen besonders hohen Outsourcing-Anteil im SEPA-Zahlungsverkehr durchgesetzt. Wie das Benchmarking in Deutschland gezeigt hat, ist Outsourcing per se allerdings kein Garant für eine höhere Effizienz.

Während die zirka 68,7 Milliarden elektronisch eingereichten Transaktionen (Überweisungen, Lastschriften, Kartentransaktionen) nur Kosten von 1,47 Milliarden Euro verursachen, im Durchschnitt also zirka zwei Cent pro Transaktion, sind die beleggebundenen Überweisungen und die Scheckeinreichungen die wesentlichen Kostentreiber im Zahlungsverkehr. Allein die 2,66 Milliarden Schecktransaktionen mit einem Anteil von 3,6 Prozent aller Transaktionen, bewirken mit 2,68 Milliarden Euro ganze 53,7 Prozent der Gesamtkosten. Die zwei Prozent Belegeinreichungen verursachen mit 655 Millionen Euro nochmals 13,1 Prozent der Aufwendungen. Damit wird aber auch erkennbar, welche potenziellen Kosteneinsparungen im SEPA-Zahlungsverkehr stecken. Alleine die Zurückdrängung dieser beiden Zahlungsarten könnte den Zahlungsverkehr um rund 67 Prozent entlasten.

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Schecks auf dem Rückzug

Vor allem im Retailbanking nehmen internet-basierte Überweisungen stark zu. Dadurch befinden sich Belegeinreichungen in den vergangenen Jahren auf dem Rückzug. Nur bei Schecks fällt dieser Weg in einigen SEPA-Ländern deutlich schwerer. Hier hilft möglicherweise nur weiter, die Schecks abzuschaffen. Denn die Einstellung der Eurocheque-Garantie im Jahr 2001 zeigte zum Beispiel deutliche Wirkung und führte zu einem niedrigeren Gebrauch des Schecks. In Österreich ist er bereits fast ausgestorben – der Anteil am Zahlungsverkehr lag 2015 bei 0,1 Prozent. In Deutschland ist der Wert für dieses Jahr genauso niedrig (0,1 Prozent). In Frankreich gibt es zwar staatliche Bestrebungen, den Scheck abzuschaffen, doch kleine Unternehmen und Selbstständige halten noch daran fest. Hier betrug der Anteil der Schecks 2015 etwa 11,3 Prozent aller Transaktionen. Laut einer Statistik der Europäischen Zentralbank (EZB) entfielen vor zwei Jahren noch rund 84 Prozent aller per Scheck geleisteten Zahlungen in der Eurozone auf Frankreich. Im Jahr 2012 schätzte das französische Finanzministerium die jährlichen Kosten für die Banken auf rund 2,5 Milliarden Euro. Neben Frankreich ist vor allem in Malta und Zypern der Scheck noch gängig.

Die Anzahl von Reklamationen ist im Euroraum mit Einführung von SEPA deutlich zurückgegangen. So entfällt auf ungefähr 14.000 Zahlungsaufträge im Schnitt nur noch eine Reklamation. Dies gilt insbesondere für grenzüberschreitende SEPA-Rückgaben, für die sich der Prozess deutlich vereinfacht hat. Dennoch verursacht die Bearbeitung noch rund 190 Millionen Euro an Kosten, pro Transaktion im Durchschnitt 35 Euro. Hier hat die Benchmarking-Studie gezeigt, dass durch Einsatz fortschrittlicher IT-Infrastruktur und gezielte Prozessoptimierung eine Reduktion von 60 Euro (Worst-Case-Kostenstruktur) auf unter 20 Euro möglich ist.

SWIFT-formatiger Zahlungsverkehr nimmt ab

Der Zahlungsverkehr im SWIFT-Format beinhaltet Eilzahlungsverkehr in Euro über Target, Euro- und Fremdwährungs-Zahlungsverkehr innerhalb des SEPA-Raums sowie grenzüberschreitenden, klassischen Auslandszahlungsverkehr. Durch die Einführung SEPAs hat sich die Zahl der SWIFT-basierten Auslandszahlungsverkehrsaufträge deutlich reduziert. Betrug der Anteil an den Gesamt-Zahlungsaufträgen zuvor 1 Prozent, so ist der Anteil mit Einführung von SEPA auf 0,4 Prozent zurückgegangen. Gleichwohl konnten die Kosten für die dafür notwendige IT-Infrastruktur nicht gesenkt werden. Ganz im Gegenteil führten zunehmende Anforderungen im Compliance-Umfeld zu deutlich gestiegenen Kosten. Und obwohl die Mehrzahl der Banken ihre Systeme für den Auslandszahlungsverkehr in der Regel nicht grundlegend renoviert oder ausgetauscht haben und damit keine zusätzlichen Abschreibungen auf die Stückkosten durchschlagen, sind die Kosten des Auslandszahlungsverkehrs unverhältnismäßig hoch. Sie betragen mit 1,8 Milliarden Euro 24,3 Prozent der Gesamtkosten des SEPA-Zahlungsverkehrs (Summe aus Prozess- und Vertriebskosten). Im Durchschnitt verursacht jeder Auftrag Stückkosten von durchschnittlich 4,50 Euro. Zusätzlich kosten die Scheck-Zahlungen, die immer noch einen hohen Anteil haben, 15 bis 18 Euro pro Transaktion. Speziell für Österreich ist davon auszugehen, dass die Kosten für die Abwicklung des Nicht-SEPA Zahlungsverkehrs im europäischen Vergleich relativ niedrig sind, da Österreich traditionell in diesem Feld stark ist – insbesondere im Verkehr mit Osteuropa.

Einen erheblichen Kostenblock stellt auch die Bearbeitung der Reklamationen dar. Die Reklamationsquote beträgt im Auslandszahlungsverkehr im Durchschnitt ein Prozent aller Aufträge und liegt damit deutlich über der im SEPA-Zahlungsverkehr. Das liegt zum Teil an den nach wie vor schlechten bankinfrastrukturellen Voraussetzungen in vielen Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika, Teilen Asiens und Südamerikas. Die Durchschnittskosten pro Beanstandung liegen deshalb in einer Bandbreite von 80 bis 90 Euro.

Vertriebskosten liegen im Millionenbereich


Verlässliche Zahlen für die Anzahl der im Zahlungsverkehr eingesetzten Mitarbeiter liegen weder für Deutschland noch für Europa vor. Legt man eine vorsichtige Schätzung zugrunde und rechnet pro Kreditinstitut einen Mitarbeiter der ausschließlich für den Zahlungsverkehrsvertrieb zuständig ist, was einem Anteil an der Gesamtbeschäftigtenzahl der Kreditinstitute von rund 0,25 Prozent entspricht, kommt man für Deutschland auf gut 1.500 Mitarbeiter. Legt man den Anteil Deutschlands am Zahlungsverkehr im SEPA-Raum zugrunde, so wären im gesamten SEPA-Raum 6.200 Vertriebsmitarbeiter im Zahlungsverkehr tätig. Bei einem Vollkostensatz von zwischen 100.000 und 110.000 Euro, betragen die Vertriebskosten damit insgesamt 630 Millionen Euro.

Summe der Zahlungsverkehrskosten


Die Euro-basierten Transaktionen im SEPA-Zahlungsverkehr betragen nach einer relativ präzisen Schätzung knapp 5 Milliarden Euro. Zahlungen im SWIFT-Format führen zu weiteren geschätzten 1,8 Milliarden Euro. Hinzu kommen Vertriebskosten, die nach einer groben, wohl eher zu niedrigen Schätzung bei mindestens etwa 630 Millionen Euro liegen. Dies führt zu Gesamtkosten von fast 7,5 Milliarden. Euro pro Jahr. Wir sprechen also über einen gewaltigen Kostenblock, den man durch einige Maßnahmen wie Reduzierung der physischen Belege und Effizienzerhöhung bei den sehr teuren SWIFT-Zahlungen innerhalb weniger Jahre massiv reduzieren könnte. Vor allem in Österreich besteht Kostenoptimierungspotential auch bei den Zugangskanälen, etwa durch eine noch stärkere Nutzung des EBICS-Standards. Hier sind die Manager im Zahlungsverkehr unmittelbar gefordert!

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Dr. Hubertus von Poser,

Mitglied der Geschäftsführung der PPI AG