Oder – natürlich situativ angepasst – alles zusammen?
Als langjährige Bankführungskraft und heutige Unternehmensberaterin verstehe ich die Herausforderungen, vor denen Führungskräfte aktuell stehen, besonders gut. Der Wertkonflikt zwischen „alten“ Überzeugungen und „neuen“ Forderungen, fühlt sich nicht gut an. Früher: steuern, lenken, kontrollieren. Heute: coachen, ausbalancieren, Anwesenheitslogistik planen. Ja – wir stecken im Wandel des Führungsverständnisses und arbeiten daran flache Hierarchien und New Work-Prinzipien zu integrieren. Es stellt sich die Frage: Wie kann man Kontrolle behalten, während man die Vorteile der neuen Herangehensweise nutzt? Wobei schon die erste Frage, viel Raum für Diskussion lässt. Erstens: hatten wir jemals Kontrolle, oder war es lediglich eine Illusion? Zweitens: Benötigen wir Kontrolle oder doch besser Übersicht? Drittens: Ist nicht der offene Weg, des „etwas entstehen Lassens“ in einer VUCA Welt viel sinnhafter, als selber am Kommandostand das Rad zu drehen und zu glauben, man könnte oder wüsste es besser als das Team? Also der Reihe nach:
Paradigmenwechsel in der Führung:
Führung Neu erfordert eine Verschiebung der traditionellen Vorstellungen von Führung. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Führung jemals mit den Kernaufgaben „Befehle erteilen“ und „Kontrolle durchführen“ umrissen war. Stattdessen bedeutet es, Verantwortung und Entscheidungsgewalt auf mehr Schultern zu verteilen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Teammitglieder eigenständig handeln können. Dienende Führung setzt auf Zusammenarbeit und aktive Beteiligung aller.
„The greatest Leader“ ist nicht unbedingt derjenige, der die größten Dinge tut. Er ist derjenige, der die Menschen dazu bringt, die größten Dinge zu tun.“ – Ronald Reagan
Kontrolle versus Vertrauen:
Die Angst, die Kontrolle zu verlieren, ist verständlich. Doch in der Führung geht es nicht darum, die Kontrolle aufzugeben, sondern sie anders auszuüben. Diese Art der Führung basiert auf Vertrauen. Führungskräfte sollten klare Erwartungen und Ziele kommunizieren und dann den Teammitgliedern vertrauen, diese Ziele auf ihre eigene Art und Weise zu erreichen. Die Kontrolle wird durch Kommunikation und Kooperation statt durch Befehle und Überwachung ausgeübt.
„<Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.> hat ausgedient. Heute lautet der Satz <Kontrolle ist gut, Vertrauen besser.> Wir benötigen eine neue Balance dieser beiden Aspekte.“ – Christian Rauscher
Kommunikation und Feedback:
Führung erfordert offene und transparente Kommunikation. Tom Peters hat das mal charmant mit der Forderung nach mehr MBA´s umrissen – allerdings im Synonym für „Management By storying Around“. Wir dürfen also Geschichtenerzähler werden und darüber Sinn und Inspiration vermitteln. Und natürlich auch: klare Erwartungen setzen, Ziele vereinbaren und „da sein“ und regelmäßig Feedback geben. Dies ermöglicht es, den Fortschritt zu verfolgen und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. Wichtig: Feedback ist nicht Beurteilen (also bitte nicht einmal im Jahr Feedback, wenn´s um die variable Vergütung geht und die böse Zielerreichungsfrage geht). Und das Feedback sollte nicht einseitig sein; Dialog schlägt Monolog und Rückmeldungen der Teammitglieder sind erbeten und geschätzt. Ach, und bevor ich es vergesse: Radikale Offenheit erfordert, hingebungsvolles Interesse am Menschen. Bevor ich somit kritisches Feedback gebe, darf ich in die Beziehung investieren…
„ If you can’t offer radical candor, the second best thing you can do is be an asshole.“ – kim Scott
Die Rolle der Führungskräfte als Mentoren:
Führungskräfte sind Mentor*innen, Begleiter*innen und Unterstützer*innen . Sie sollten ihre Teams dabei unterstützen, ihre Fähigkeiten und Potenziale voll auszuschöpfen. Dies erfordert nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch die Fähigkeit, anderen zu helfen, sich zu entwickeln und zu wachsen. Auch hier gilt es, die mannigfachen Stärken der Teams in Wirkung zu bringen und Heterogenität und Diversität ganz bewusst zu fördern!
„Was leistungsstarke Unternehmen anstreben sollten: Ein großartiger Ort für großartige Menschen, um großartige Arbeit zu leisten.“ – Marilyn Carlson.
Balancieren von Hierarchien:
Führung bedeutet nicht das Ende von Hierarchien, sondern die Anpassung. Flachere Hierarchien bieten Raum für mehr Eigenverantwortung und Teamarbeit, ohne die Notwendigkeit einer klaren Struktur aufzugeben. Eigenverantwortung erfordert aber Raum für eigene Ideen, Gedanken, Diskussionen. Wer innerlich nicht zustimmt, übernimmt keine Verantwortung! Oft endet somit der Traum von mehr Effizienz an der Abteilungsgrenze, weil sich keiner verantwortlich fühlt für das „davor“ und „danach“ weiterzudenken.
„Engagierte Mitarbeiter sind psychologische „Eigentümer“, treiben Leistung und Innovation voran und bringen das Unternehmen voran.“ – Gallup
Die Herausforderung der Anpassung:
Wow – was für ein Anforderungskanon, und dabei habe ich noch nicht einmal voll losgelegt! Wir sollten uns somit immer wieder Zeit nehmen für Führung – am besten gleich in den Kalender eintragen, denn im Alltag überfährt uns meist die operative Wucht. Ich kenne ein Bank, da gehen die beiden Direktoren zumindest einmal pro Monat in der Dienstzeit am Freitag auf eine Bergtour. Sie gewinnen Abstand zum Schreibtisch, sie verändern die Perspektive, sie nutzen die Bewegung um sich auszutauschen. Das sollten wir alle tun. Es hält geistig und körperlich frisch und genau dazu sind wir aufgefordert! Also: Wo startest du deinen Wandel? Wo brichst du mit alten Überzeugungen? Welche Routine gibst du auf? Wie machst du deine neue Führung für deine Kolleginnen erlebbar?
„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“. (Albert Einstein)
In meiner Rolle als Unternehmensberaterin rate ich dazu, New Work Führung und flache Hierarchien nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu betrachten. Es geht nicht darum, sich zwischen dienender und befehlender Führung zu entscheiden, sondern darum, die richtige Balance zu finden. Diese Balance erfordert eine bewusste Anpassung unserer Führungsansätze, um die Stärken jedes Einzelnen zu nutzen und eine Umgebung zu schaffen, in der Team und Unternehmen gleichermaßen gedeihen können.
Die erfolgreiche Umsetzung erfordert Zeit, Geduld und eine kontinuierliche Reflexion. Doch die Belohnungen sind erheblich: gesteigerte Motivation, Kreativität und Effizienz in Teams sowie eine bessere Anpassungsfähigkeit an die sich ständig verändernde Geschäftswelt. Es ist an der Zeit, den Wandel anzunehmen und die Zukunft der Führung aktiv zu gestalten.